Empathie ist seit einigen Jahren ein absolutes Modewort sowie Disruption, Change Management und andere Begriffe, die um uns herumschwirren und die wir entweder positiv oder negativ belegen. Empathie hat einen tollen Beigeschmack. Denn es bedeutet, sich in einen anderen hineinfühlen zu können, ihn besser zu verstehen, zu wissen, was er fühlt und dadurch eine bessere Kommunikation mit ihm aufzubauen.
Wissenschaftliche Definitionen
Empathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Empfindungen, Emotionen, Gedanken, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden. – Wikipedia
Diese Definition ist aus zwei Gründen interessant: Erstens geht es bei Empathie nicht nur um Gefühle des anderen, sondern es geht auch um seine Gedanken oder Motive – das heißt, empathisch sein bedeutet auch, die Gedankenwelt des anderen besser zu verstehen. Nicht zu vergessen: der emotionale Teil, seine Gefühle, seine Empfindungen oder seine Emotionen! Das sind also die zwei Richtungen, in die sich Empathie hineinbegeben kann.
Der berühmte Anthropologe Paul Ekman hat genau diese Zweiköpfigkeit der Empathie definiert – einmal als kognitive Empathie, einmal als emotionale Empathie. Erstere betrifft das Verständnis auf kognitiver Ebene (Gedanken), letztere das Mitleiden und Mitfühlen (Emotionen) auf der Gefühlsebene. Das finde ich sehr spannend: Man kann Empathie also als rationale Empathie oder als gefühlte Empathie verstehen.
Im Altgriechischen wird das Wort „Empathie“ aus Pathos – das Leid oder das Gefühl oder das Leiden und das Fühlen – und dem Präfix gebildet. Das heißt also: mitfühlen und mitleiden. Das sind wiederum zwei Paar Schuhe. Einerseits kann ich mit der anderen Person einfach Mitgefühl haben. So ähnlich wie eine Mutter zum Kind, die ihm helfend, tröstend und aufmunternd zuhört. Das ist ein rationales sympathisches Verhalten.
Ein emotionales sympathisches Verhalten hingegen heißt, wirklich den Schmerz und das Leid des anderen auch zu fühlen. Wie kann es denn sein, dass ich mich wirklich in andere Menschen hineinfühlen oder hineindenken kann? Das ist doch absolut unmöglich! Natürlich ist diese Fähigkeit zumindest teilweise trainierbar. Aber wie denn?
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Wie kann ich mich in andere hineinfühlen?
Das Zauberwort lautet Beobachtungsgabe. Denn Menschen senden uns in der Kommunikation nonverbale und paraverbale Botschaften, die nonverbalen sind die Körpersprache und die paraverbalen sind die stimmlichen Botschaften.
Immer dann, wenn wir einem Menschen zuhören und beobachten, wie er häufiger anfängt zu blinzeln, wie er plötzlich ganz nervös über die Oberschenkel streicht, wie er mit dem Blick nach links oder nach rechts ausweicht, dann ist es auf jeden Fall eine Möglichkeit, eher zu verstehen, was mit ihm los ist.
Ähnlich verhält es sich auch mit den paraverbalen Botschaften. Das heißt also bei den stimmlichen Elementen, wo wir ein Räuspern hören, sich plötzlich die Lautstärke verändert und der Mensch leiser oder lauter spricht. Natürlich bestimmt auch die Stimme die Stimmung des anderen und verrät, wie er sich gerade fühlt. Man kann also durchaus an einigen objektiven Elementen ablesen, wie sich der andere gerade fühlt oder wie der andere gerade über eine bestimmte Sache denkt.
Daniel Goleman hat in den 90er-Jahren das Buch „Emotionale Intelligenz“ geschrieben und im Untertitel auch provokant gesagt, warum das EQ, die emotionale Intelligenz, manchmal wichtiger sein kann als die kognitive Intelligenz. Ob das jetzt für viele Jobs wahr ist oder nicht, ist natürlich fraglich.
Sicherlich ist emotionale Intelligenz für zuhörende Berufe wie beispielsweise die Psychotherapie extrem wichtig. Umso emotionaler intelligenter wir sind, je mehr wir diese Fähigkeit besitzen und auch mit der Zeit entwickeln, desto besser können wir die Botschaften von anderen lesen, sie richtig verstehen und sie gegebenenfalls auch nachempfinden.
Aber Achtung: Es gibt auch den Begriff der funktionalen Empathie! Ich tue so, als wäre ich empathisch und verfolge dabei manipulative Ziele. Das ist die Gefahr der Empathie – ein sympathischer Mensch kann auch manipulative Ziele verfolgen. Manipulatoren wollen Dich besser verstehen, um Dir anschließend etwas zu verkaufen. Die Funktion der Empathie besteht also hier darin, Dich von etwas zu überzeugen, was Du eigentlich nicht möchtest!
Zusammenfassung
Empathie ist also die Fähigkeit, sich in den anderen hineinzudenken und hineinzufühlen. Der Vorteil der Empathie ist ein tieferes Verständnis der Gedanken und Gefühlswelt. Ein Nachteil könnte sein, wenn der andere nur empathisch ist, um Dir etwas zu verkaufen.
Zu viel Empathie ist auch nachteilig. Denn die Menschen, deren Mitgefühl zu groß ist, können das Leid des anderen körperlich spüren. Das führt zu emotionalem Stress. Sie leiden häufiger. Empathisch übersensible Menschen haben es schwer, wenn sie mit negativem Leid anderer konfrontiert werden und anschließend dieses Leid auch fühlen.
Es gibt grob gesprochen die kognitive Empathie. Ich verstehe, was der andere fühlt. Und es gibt die emotionale Empathie. Ich kann wirklich mitfühlen und mitleiden. Diese beiden Dinge sind wichtig, um den anderen zu verstehen. Sie sind wichtig, um in den anderen einzutauchen. Sie können aber auch gefährlich sein, wenn wir entweder zu viel Leid empfinden oder aber, wenn uns der andere mit seiner funktionalen Empathie überlisten möchte.
Autor: Wladislaw Jachtchenko