Gewaltfreie Kommunikation kurz erklärt: Wie Du andere nicht auf die Palme bringst (Marshall B. Rosenberg)
Gewaltfreie Kommunikation kurz erklärt: Wie Du andere nicht auf die Palme bringst (Marshall B. Rosenberg)
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Es gibt eine Theorie von Marshall B. Rosenberg, die der „Gewaltfreien Kommunikation“ oder Non-violent communication. Dort gibt es keine komplizierten Satzkonstruktionen. Er versteht es so zu argumentieren und zu formulieren, dass es wirklich jeder versteht.

Was ist die Gewaltfreie Kommunikation?

Grundsätzlich unterscheidet Marshall Rosenberg zwischen zwei Arten oder Kommunikationssystemen, der Gewaltvollen und der „Gewaltfreien Kommunikation“. Erstere meint vor allem, dass wir andere Menschen beurteilen, einschüchtern, diskriminieren. Dass wir sprechen, ohne zuzuhören, kritisieren und dass wir andere verbal attackieren. Diese Kommunikation sei ein Standard in unserer Gesellschaft. Das heißt: Wir alle sind konditioniert, gewaltvoll miteinander zu sprechen und über andere zu urteilen. Bereits das Feedback „Das hättest Du besser machen können“ fällt in diese Kategorie.

Eine gewaltfreie Kommunikation ist trainerbar – in vier Schritten:

  • Schritt Nr. 1: Beobachtung
  • Schritt Nr. 2: Ausdruck der eigenen Gefühle
  • Schritt Nr. 3: Sprechen über unsere Bedürfnisse
  • Schritt Nr. 4: positive Aktionen

Im letzten Schritt Nr. 4 bitten wir den anderen etwas zu tun, was in einer sehr klaren, konkreten und positiven Sprache ausgedrückt wird.

Wie kann ich diese vier Schritte im Alltag anwenden?

Stelle Dir vor, Du hast einen Bekannten, der manchmal laut wird, ihr diskutiert und plötzlich wird der oder die andere einfach laut und Dich nervt das! Wie kann ich das verändern? Die gewaltvolle Variante wäre dem anderen zu sagen:

„Du bist immer so laut. Das nervt mich!”

Das ist natürlich nichts anderes als eine sofortige Beurteilung der anderen Person. Wenn wir dem anderen einen Vorwurf machen, gibt es meistens zwei Möglichkeiten, sagt Rosenberg. Er sagt, entweder rechtfertigen und verteidigen die Leute sich und dann sprechen sie aber weiter ziemlich laut – das hilft uns also nicht weiter.

Die andere Variante ist, dass die Leute aggressiv werden, wenn Du ihnen etwas vorwirfst. Das heißt, sie werden explodieren. Vielleicht ist es eine stille Rechtfertigung. Vielleicht ist es auch eine passiv-aggressive Rechtfertigung oder sie attackieren uns.

Schritt Nr. 1: Keinen Vorwurf machen/Beobachtung äußern

Wir machen generell keine Vorwürfe, sondern nur eine Beobachtung! Etwa die:

„Wenn Du mit Deiner Stimme lauter wirst…”

Das ist noch keine Beurteilung. Du sagst nicht, es ist gut oder ist es schlecht. Jemand kommt immer in Dein Büro ohne anzuklopfen, das nervt Dich und Du sagst:

„Mir fällt auf, dass Du niemals anklopfst, wenn Du in mein Büro kommst.”

Schritt Nr. 2: Eigene Gefühle ausdrücken

„Ich fühle ich mich unwohl oder ängstlich, weil ich das Gefühl habe, jemand könnte angegriffen werden!”

Hier ist der entscheidende Punkt:

„Ich fühle mich ängstlich oder ich habe Angst, dass Du handgreiflich werden könntest.”

Das heißt im zweiten Schritt geht es darum, zu identifizieren, was Dein Gefühl beim Lauterwerden ist.

Schrit Nr. 3: Bedürfnis mitteilen

Wo jemand die Stimme erhebt, sagst Du:

„Ich habe aber das Bedürfnis, zu wissen oder mich sicher zu fühlen, dass hier niemand verletzt wird – dass Du nicht aggressiv und handgreiflich wirst!”

Du drückst aus: Mein Bedürfnis ist, dass ich mich sicher fühle.

Schritt Nr. 4: Klare Bitte stellen

Konkret und positiv formuliert ist es, dem anderen zum Beispiel folgende Frage zu stellen:

„Darf ich Dich darauf hinweisen, wenn Du wieder laut wirst während  unserer Diskussion? Und Du versuchst wieder leiser zu sprechen?”

Beispiel für die Anwendung der Schritte

Es gibt nichts, was den anderen angreifen oder provozieren könnte. Das ist das Einfache und das ist gleichzeitig auch das Geniale an Marshall Rosenbergs Modell! Dass der andere durch dieses Stufenmodell  gar keinen Grund hat, böse zu sein, weil Du ihm ja gar keinen Vorwurf machst.

Ein Beispiel: Kollege A möchte nach einer Präsentation dem Kollegen B, der die Präsentation gehalten hat, ein Feedback geben.

Hinweis: Möchtest Du mehr darüber erfahren, wie Du deine Präsentationen verbessern kannst, dann schaue Dir die Video-Lektion „Die 3 häufigsten Rhetorik-Fehler in PowerPoint Präsentationen“ aus dem Online-Kurs „Präsentieren mit PowerPoint: Begeistere Dein Publikum” an:

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Und wie läuft das häufig ab? Kollege A möchte es gut meinen mit Kollege B und sagt:

„Das kannst Du normalerweise viel besser.”

Diese Beurteilung führt dazu, dass der andere Kollege entweder in die Selbstverteidigung und Rechtfertigung oder in die Aggression geht und sich sagt:

„Warum sagst Du das?! Ich hatte wenig Zeit und mal gucken, wie Du das überhaupt erst machst!”

Das ist nicht das, was wir erreichen wollen. Sondern: Er sollte erst eine faktische Beobachtung machen – ohne Werturteil. Zweitens über seine Gefühle sprechen, drittens sein Bedürfnis mitteilen und viertens eine klare Bitte aussprechen.

Wie könnte das passieren?  Stufe 1, eine neutrale Beobachtung:

„Wenn Du auf das Slide klickst und immer die Stichpunkte, die auf dem Slide stehen, vorliest,…”

Stufe 2, das Gefühl.

„…dann habe ich das Gefühl, nicht Teil Deines Vortrags zu sein. Ich habe das Gefühl, nicht wirklich angeschaut zu werden und nicht wirklich wichtig zu sein als Teil Deines Publikums.”

Und jetzt kommt das Bedürfnis auf Stufe 3:

„Ich habe aber das Bedürfnis, dass Du mich anschaust und dass Du eine bestimmte Beziehung zu mir als Teil des Publikums herstellst.”

Stufe 4, die Bitte:

„Ich würde mir wünschen, dass Du bei der nächsten Präsentation viel mehr Blickkontakt zu mir und natürlich auch zu den anderen aufbaust, damit ich mich angeschaut fühle und damit die Präsentation nicht Richtung Slides geht, sondern in meine Richtung oder die Richtung des Publikums.”

Diese Bitte, und das betont Rosenberg auch immer sehr, soll nicht mit irgendwelchen Bedingungen oder Konsequenzen verknüpft sein! Diese Bitte sollte wirklich positiv sein und wenn der andere es nicht macht, dann hat das keine Konsequenzen. Das ist der ideale Weg nach Rosenberg, eine gewaltfreie Kommunikation überall im Leben anzuwenden.

Zusammenfassung

Es ist manchmal schwer: Doch versuche, keine Vorwürfe zu machen. Rosenberg spricht darüber, dass wir in unserer Welt konditioniert sind, mit Werturteilen zu kommunizieren und diese Werturteile eine Gewalt in sich tragen, weil sie den anderen herunterstufen. Wir stufen uns hoch und stufen den anderen herunter.

Und wenn Du sagst, das kann ich in meinem schnelllebigen Alltag nicht anwenden oder das möchte ich vielleicht gar nicht anwenden, ist das in Ordnung.

Dann probiere erst einmal nur Schritt 1: Eine Beobachtung äußern ohne zu werten. Vielleicht daraufhin auch eine Bitte, nicht unbedingt ein Bedürfnis oder ein Gefühl. Das ist die besondere Herausforderung der „Gewaltfreien Kommunikation„, die im englischsprachigen Raum etwas weiter verbreitet ist als im deutschsprachigen Raum.

Rosenberg behauptet, dass die Theorie zu mehr Empathie, zu mehr Zusammenarbeit, zu mehr authentisch sein und zu mehr Freiheit führt. Das ist das Versprechen von Marshall B. Rosenberg und in gewisser Weise ist es logisch, denn wenn Du nicht über andere urteilst, dann werden sie nicht böse. Es heißt ja auch so schön in der Bibel:

„Urteile nicht über andere, dann wird auch nicht über Dich selbst geurteilt.”

Davon hat sich Marshall Rosenberg sicherlich auch etwas inspirieren lassen. Ich bin ein großer Fan von ihm und empfehle Dir, die vier Schritte der „Gewaltfreien Kommunikation„, die Ich-Botschaften, einmal im Alltag auszuprobieren. Viel Erfolg!

Autor: Wladislaw Jachtchenko

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Über den Autor

Wladislaw Jachtchenko ist mehrfach ausgezeichneter Kommunikations-Experte, TOP-Speaker in Europa, mehrfacher SPIEGEL-Bestseller Autor und gefragter Business Coach.

Er hält Vorträge, trainiert und coacht seit 2007 Politiker, Führungskräfte und Mitarbeiter namhafter Unternehmen wie Allianz, BMW, Pro7, Westwing, 3M und viele andere.