Inhaltsangabe
Dieser Blogbeitrag widmet sich Rhetorik-Tipps von Kurt Tucholsky. Kurt Tucholsky war einer der bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik. Er war in den Zwanziger und Dreißiger Jahren ein unglaublich erfolgreicher Journalist, Schriftsteller, Satiriker, Liedtexter, Lyriker und Literaturkritiker.
Er hat Romane geschrieben. Er hat so ziemlich alles gemacht, was man mit Sprache machen kann und war dabei vor hundert Jahren einer der Erfolgreichsten. Kurt Tucholsky hat zwei kurze Essays zum Thema Rhetorik verfasst, einer von ihnen lautet: Ratschläge für einen guten Redner. Und der zweite Essay: Ratschläge für einen schlechten Redner. Ich werde Dir beide in Auszügen vorstellen und beide Essays auch ganz kurz selbst kommentieren.
>>> INFOGRAFIK: Die Tipps auf einen Blick
Ratschläge für einen guten Redner erklärt
Warum sagt Tucholsky nun, dass ein guter Redner klare Botschaften und eine klare, kurze Satzstruktur hat? In Rhetorik-Seminaren beobachte ich Menschen, die ganz lange Sätze benutzen, sie verknüpfen die Sätze miteinader und machen irgendwelche Einschübe. Dadurch kommt man als Redner häufig selbst durcheinander!
Tipp Nr. 1: Wenn wir uns angewöhnen, Hauptsätze zu benutzen und in Hauptsätzen zu sprechen, wird unser Inhalt klarer für unser Zuhörer und es ist einfacher für uns, weil es leichter ist, einen Hauptsatz zu bilden und nicht zwei bis sieben Nebensätze.
Tipp Nr. 2: Eine klare Position im Kopf, wenig auf dem Papier ist klar: Wenn ich eine Rede halte und mir ganz viel auf dem Papier aufgeschrieben habe, dann komme ich durcheinander. Ich gucke auf meine Notizen und da steht viel!
Politiker beispielsweise schreiben sich die ganze Rede auf. Aber das Problem ist, dass sie die ganze Rede dann auch ablesen. Damit man eben nicht alles abliest, empfiehlt Kurt Tucholsky völlig zu Recht, dass man möglichst wenig auf dem Papier hat – am besten drei bis fünf Bullet Points. Dann kann man kurz schauen und gleich weiter sprechen.
Tipp Nr. 3: Ein Redner sei kein Lexikon, das haben die Leute zu Hause. Das heißt, man soll natürlich nicht sachlich sprechen, nicht absolut komplett korrekt und ohne jede Emotion! Denn das, sagt Tucholsky zu Recht, haben die Leute zu Hause und deswegen ist ein bisschen Leben, ein bisschen Vitalität das, was wir brauchen. Der Ton einer einzelnen Sprechstimme ermüdet, sprich nie länger als 5 Minuten.
Tipp Nr. 4: Wenn wir schon einmal die Gelegenheit haben, dann ergreifen viele – vor allem Extrovertierte – von uns das Mikro und wollen gar nicht mehr aufhören. Und da ist der Tipp, nicht länger als 5 Minuten zu sprechen, sehr sinnvoll. Bei den berühmten TED-Talks gibt es lediglich 18 Minuten pro Redner. Das heißt, wenn Du die Möglichkeit hast, sprich möglichst kurz!
Hinweis: Wie ein TED-Talk aufgebaut ist und eine Botschaft in knappen 18 Minuten an die Zuhörer gesendet wird, kannst Du Dir im TED-Talk von Wlad anschauen: „Die 10 Stufen des Zuhörens“
Tipp Nr. 5: In Tucholskys letztem Tipp weist er darauf hin, dass man von einem vorne stehenden Menschen jede Kleinigkeit bemerkt: Man sieht jede Nervosität. Man sieht jede Authentizität. Man sieht jede körperliche Regung, auch in der Stimme hört man natürlich das kleine Zittern, die kleine Unsicherheit. Und wenn man da versucht, Effekte zu erzielen, die nicht in eigenem Wesen liegen, dann fällt das dem Publikum sofort auf. Und das Publikum bestraft es mit wenig Aufmerksamkeit oder mit Kritik.
Ratschläge für einen schlechten Redner (mit Ironie zu verstehen)
- Fang nie mit dem Anfang an, sondern immer drei Meilen vor dem Anfang, etwa so:“Meine Damen und Herren. Bevor ich zum Thema des heutigen Abends komme, lassen Sie mich Ihnen noch kurz…“
- Sprich nicht frei. Das macht so einen unruhigen Eindruck. Am besten ist es, Du liest Deine Rede ab. Das ist sicherer. Das ist zuverlässig, auch freut es jedermann, wenn der lesende Redner nach jedem Viertelsatz misstrauisch hochblickt, ob auch noch alle da sind!
- Sprich wie Du schreibst und ich weiß, wie Du schreibst!
- Sprich mit langen, langen Sätzen! Die Nebensätze schön ineinander verschachtelt.
- Sprich nie unter eineinhalb Stunden. Sonst lohnt es sich gar nicht erst, anzufangen!
Ratschläge für einen schlechten Redner erklärt
Fang nie mit dem Anfang an, sondern immer drei Meilen vor dem Anfang. Das machen schlechte Redner! Schlechte Redner nehmen sich unglaublich viel Zeit und bevor sie zum Thema kommen, erzählen sie eine kleine Vorgeschichte von ihnen selbst, von dem was ihnen gestern passiert ist. Und das ist natürlich etwas, was Zeit stiehlt.
Sprich nicht frei, das macht so einen unruhigen Eindruck – auch das ist etwas sehr satirisch gemeint. Natürlich geben einem ein Skript oder ausformulierte Sätze eine unglaublich große Sicherheit.
Aber das Problem ist das, was Kurt Tucholsky später sagt, der lesende Redner immer wieder hochguckt, ob noch alle da sind. Und dann liest er wieder ab und dann guckt er wieder hoch – alle fünfzehn Minuten. Das ist wahrlich nichts, was ein guter Redner als ein überzeugender Kommunikator machen wird. Das heißt also: Da brauchen wir Stichpunkte auf einer Karteikarte und keinen ausformulierten Satz! Sprich wie Du schreibst.
Der dritte Ratschlag ist natürlich auch sehr ironisch zu verstehen. Wir tendieren dazu, lange Schachtelsätze zu benutzen. Wir tendieren dazu, lexikonartig zu schreiben. Das ist nicht lebendig, das möchte keiner hören! Dieser Satz, sprich wie Du schreibst, macht auch auf etwas anderes aufmerksam, nämlich auf den Unterschied zwischen gesprochener Sprache und der Schriftsprache.
Die Schriftsprache ist lang verklausuliert, die gesprochene Sprache ist kurz und bündig. Das bedeutet also: natürlich nicht ernst nehmen! Sprich wie Du sprichst! Also versuche nicht, Dir vorher etwas in Schriftsprache aufzuschreiben und daraus dann einen tollen, lebendigen Vortrag zu machen – das klappt nicht, denn Schriftsprache ist eher öde und gesprochene Sprache ist eher schön!
Sprich mit langen, langen Sätzen. Die Sätze schön ineinander verschachtelt. Klar, wir hatten vorher genau das Gegenstück – die Entsprechung zu Hauptsätze, Hauptsätze, Hauptsätze.
Aus den Ratschlägen für einen guten Redner heißt es, je länger der Satz, desto schwieriger ist es, für Dich diesen Satz zu beenden und desto schwieriger ist es auch für den Zuhörer, den Satz im Kopf zu behalten und desto schwieriger ist es, zuzuhören… Man braucht bei einem Redner, der lange Sätze benutzt, viel mehr Konzentration. Also machen wir es dem Publikum einfach und benutzen kurze Sätze!
Und der letzte Tipp, natürlich auch ironisch gemeint: Sprich nie unter 1,5 Stunden. Sonst lohnt sich gar nicht. Wenn Du zufällig Professor bist, dann hast Du keine Wahl. Da sind 1,5 Stunden vorgesehen. Aber wenn Du nicht Professor bist, dann solltest Du tatsächlich möglichst kurz sprechen. Und wenn Du nicht alles abliest, dann bist Du ein ganzes Stück weiter.
Zusammenfassung
Ich finde die Ratschläge unglaublich gut geschrieben. Er bringt alles auf den Punkt. Bei dem Essay zum guten Redner sehr knackig und schön. Bei den Ratschlägen für den schlechten Redner gibt es sehr ironische Bemerkungen. Ich bin ein großer Ironie-Fan, insofern auch kein Wunder, dass ich Kurt Tucholsky mag. Viel Erfolg beim Anwenden (der guten Tipps)!
Autor: Wladislaw Jachtchenko